Fremdgehen: Welchen Reiz hat eine geheime Affäre?

Warum haben wir Affären?

Sie ist ein gefährliches Spiel mit Emotionen, das oft keinen Gewinner kennt, sondern nur Verlierer: Die geheime Affäre. Wer in einer Partnerschaft ist und nebenbei ein heimliches sexuelles Verhältnis zu einer dritten Person pflegt, hintergeht nicht nur den:die Partner:in, sondern verletzt in vielen Fällen auch den:die Liebhaber:in, von denen sich viele eine echte Beziehung anstelle des ständigen Versteckspiels wünschen. Zudem fühlen sich die fremdgehenden Männer und Frauen selbst selten wohl in ihrer Haut, sondern werden geplagt von Gewissensbissen, der Angst erwischt zu werden oder emotionaler Hin- und Hergerissenheit zwischen beiden Partner:innen. Trotzdem kennen wir fast alle jemanden, der:die irgendwie in eine Affäre verwickelt ist oder haben uns selbst schon die Finger an einer Affäre verbrannt. Es ist also alles andere als ein seltenes Phänomen, und es lässt sich auch gar nicht leicht erklären. Denn die Gründe, warum sich Menschen auf Affären einlassen, sind vielfältig und selten rational.

 „Die große Liebe“ kann mit der Zeit auch unglücklich machen

Das, was als große Liebe begonnen hat, kann im Laufe der Jahre zu einem müden, emotionsarmen „Nebeneinander her leben“ verkommen, ohne Zärtlichkeiten und vielleicht sogar ohne oder mit sehr langweiligem, routinierten Sex nach Schema F, der mehr aus Gewohnheit zu passieren scheint als aus Lust aufeinander. Solche Lebensverhältnisse sind für eine Affäre prädestiniert. Menschen, denen in ihrer Partnerschaft die Intimität, das Begehrt-werden und die Aufregung fehlt, finden in einer Affäre genau das und verbessern damit ihr leidendes Selbstwertgefühl.

Warum sie nicht gleich die Beziehung beenden und ihr Glück mit einer anderen Person oder erstmal alleine versuchen, sondern den Weg des Fremdgehens wählen, kann viele Gründe haben: Kinder zum Beispiel, die unter einem Auseinanderbrechen der Familie leiden würden, oder der Komfort, den das Zusammenleben mit dem:der festen Partner:in mit sich bringt. Vielleicht auch die Angst, den sicheren Hafen zu verlassen und dann doch nicht glücklicher zu werden.

Aber dass der:die Liebhaber:in eine dauerhafte Lösung für das Problem, in einer unglücklichen Beziehung zu leben, sein kann, ist eher unwahrscheinlich. Eher verliebst du dich in deine:n Liebhaber:in, weil er:sie dir geben kann, was dein:e Partner:in dir nicht (mehr) geben kann und leidest dann darunter, dass ihr euch nur im Geheimen treffen dürft. Gleichzeitig entfernst du dich immer weiter von dem Menschen, mit dem du einst aus Liebe eine feste Partnerschaft eingegangen bist, bis du dich vielleicht sogar irgendwann so unwohl in seiner:ihrer Gegenwart fühlst, dass du weder ein, noch aus weißt.

Es kann auch zwei „große Lieben“ geben.

Verliebtsein ist nichts, was man kontrollieren oder beeinflussen kann, es passiert einfach. Wenn du in einer festen Beziehung bist, deine:n Partner:in liebst und dich dennoch in jemand anderen verliebt hast, heißt das natürlich nicht, dass du deswegen fremdgehen musst, denn du kannst deinen Gefühlen auch widerstehen und es sein lassen. Aber es wird zumindest vorübergehend wehtun und quälend sein.

Eine glückliche Beziehung zu führen und sich trotzdem in eine andere Person zu verlieben, ist sicherlich die komplizierteste Variante der Affäre, weil du emotional zwischen den Stühlen stehst und auf beiden Seiten liebende Menschen stehen, die dich nicht verlieren möchten und die du selbst nicht verlieren möchtest.

Der Protagonistin Melanie aus dem Roman „Ich liebe dich – und dich“ von Luisa Valentin passiert genau das: Sie ist mit ihrem Partner glücklich, aber verliebt sich trotzdem noch in einen anderen Mann. Ihr Partner ist verständnisvoll und schlägt eine ungewöhnliche Lösung vor, aber in der Realität werden nur wenige Menschen es akzeptieren, dass ihr:e Partner:in neben ihnen noch eine:n zweite:n Partner:in hat.

Deshalb steht am Ende solcher Affären meist eine Entscheidung, denn ein solches Gefühlschaos hält niemand langfristig durch. Der:die Liebhaber:in wird mit der Zeit frustriert werden, weil er:sie auf eine Trennung von der:dem festen Partner:in wartet, um selbst an seine:ihre Stelle zu treten, und der:die Partner:in wird ihre Vorstellung von der monogamen Partnerschaft sehr wahrscheinlich nicht aufgeben wollen und zudem zutiefst verletzt sein.

Diese Art von Entscheidungen sind nie leicht und als Betroffene:r wirst du dich mit zwei Fragen intensiv befassen müssen:

  • Liebe ich meine:n Partner:in wirklich auf eine Weise, dass ich mit ihm:ihr weiterhin eine Partnerschaft führen möchte? Oder habe ich ihn:sie einfach nur sehr gern und möchte die Beziehung aufrecht erhalten, um ihn:sie nicht zu verletzen oder die Familie nicht zu zerstören – doch in Wirklichkeit gehört mein Herz schon meiner Affäre?
  • Liebe ich meine Affäre wirklich so, dass ich mir eine gemeinsame Zukunft mit ihm:ihr wünsche? Oder machen die Umstände – kein gemeinsamer Alltag, viel Sex, er:sie präsentiert sich nur von seinen:ihren besten Seiten – sowie die Schmetterlinge des Verliebtseins das Verhältnis so schön? Ist Letzteres der Fall, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Entscheidung bereut wird, sobald der:die Liebhaber:in den Platz des:der Partners:Partnerin eingenommen hat.

Affären als Spiegel unserer Gesellschaft

Wir leben in einer Gesellschaft, die weit weg davon ist, entspannt, genügsam und ausgeglichen zu sein. Sie ist eine Leistungsgesellschaft, die von Schnelllebigkeit und dem Druck, immer mehr zu erleben und zu erreichen geprägt ist. Eine langjährige monogame Beziehung passt da eigentlich gar nicht dazu. Sie erinnert zu sehr an Stillstand, und der scheint der größte Feind unserer modernen Lebensweise zu sein. Kleidung, Smartphones, Autos, Wohnungseinrichtungen – alles wird regelmäßig ausgetauscht. Kaum jemand bleibt über viele Jahre in demselben Job, und selbst gute Freunde begleiten uns oftmals nur eine kürzere Strecke auf unsrem Lebensweg, bevor sie weiterziehen und durch anderen Menschen ersetzt werden.

Kein Wunder also, dass viele Menschen Angst haben, etwas zu verpassen, wenn sie ihr Leben lang mit ein- und derselben Person Sex haben und ihre feste Beziehung dann irgendwann als langweilig empfinden. So kann man Affären in manchen Fällen auch als Spiegelbild unserer Gesellschaft betrachten, ähnlich wie die hohen Zahlen an Scheidungen/ Trennungen und Singles, die keine dauerhaften Beziehungen eingehen möchten.

Der Reiz einer Affäre mit einer vergebenen Person

Einige dieser erwähnten Singles sind dann diejenigen, die in der Affäre die Rolle des:der Liebhabers:Liebhaberin einnehmen. Menschen, die sich davor scheuen, eine feste Beziehung einzugehen, bekommen so „ein bisschen“ Partnerschaft auf Zeit, ohne sich ganz binden zu müssen. Dass ihr:e Partner:in vergeben ist, kann für sie Vorteile haben: Er:Sie ist bereits in einem sicheren Hafen und der:die Single, der:die auch Single bleiben möchte, steht nicht irgendwann vor dem Problem, dass seine:ihre Affäre „mehr“ möchte. Gleichzeitig wird der:die Liebhaber:in in seinem:ihrem Selbstwertgefühl bestärkt, weil er:sie wohl etwas hat, was der:die (Ehe-)Partner:in nicht hat.

Die Frage ist nur: Kann man immer wieder miteinander Sex haben, vielleicht sogar über Jahre hinweg, ohne Gefühle zu entwickeln? Beim Sex werden Bindungshormone freigesetzt, das ist allgemein bekannt. Und so tut sich vielleicht sogar der:die überzeugteste Single keinen Gefallen mit der Affäre, weil sie dann doch Gefühle entwickeln. Doch die meisten Vergebenen, die mal eine Affäre hatten, bleiben letztendlich in ihrer ursprünglichen Beziehung, wagen mit ihrem:ihrer Partner:in vielleicht sogar einen richtigen Neustart nachdem sie festgestellt haben, dass und weswegen sie ihre Beziehung nicht verlieren möchten.

Und deshalb sind die, die die wenigsten Vorteile von einer geheimen Affäre mit einem:einer Vergebenen haben, diejenigen Singles, die auf der Suche nach Liebe und Partnerschaft sind. Eine Affäre hat dann sicherlich nicht lange ihren Reiz, sondern bringt schnell Liebeskummer und Selbstwertprobleme und ist in den meisten Fällen einfach keine gute Idee.

Zum Ende möchten wir noch anmerken, dass Affären natürlich genauso individuell sind wie die Menschen, die in ihnen verwickelt sind, und es ist natürlich selbstverständlich, dass es noch unzählige weitere Arten von und Motive für Affären gibt als die, die wir in unserem Artikel behandelt haben.

Keine Buchinfo zu ISBN: 978-3-641-12610-0

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