Gleichberechtigung in der Partnerschaft

Wann ist ein Paar gleichberechtigt?

Es ist weitgehend unbestritten, dass eine gleichberechtigte Partnerschaft das optimale Modell einer Beziehung ist. Schließlich ist es ganz normal, dass Menschen allgemein in ihrem Leben gleichberechtigt gegenüber anderen sein und gleichbehandelt werden möchten – sei es im Beruf, vor dem Gesetz oder im alltäglichen zwischenmenschlichen Umgang miteinander. Erstrecht also brauchen Menschen, um glücklich zu sein, ein Gefühl der Gleichberechtigung und der Fairness, wenn es um das gemeinsame Leben mit ihrem:ihrer Partner:in geht.

Die Frage also, ob Gleichberechtigung in der Partnerschaft wichtig ist, ist schnell beantwortet: Ja! Natürlich! Schwieriger ist die Antwort auf die Frage, wie genau Gleichberechtigung in der Beziehung aussieht.

Das Verständnis von Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft

In unserer Gesellschaft spielt die Diskussion um Gleichberechtigung für gewöhnlich nur in heterosexuellen Partnerschaften eine Rolle, die sich einen Haushalt teilen. Gleichberechtigung heißt dann, dass sowohl der Mann, als auch die Frau arbeiten geht und sich in gleichem Umfang um den Haushalt kümmert, während die „klassische“ und nicht gleichberechtigte Verteilung ist, dass die Frau das Haus hütet und abends das Essen fertig auf dem Tisch steht, wenn der berufstätige (Ehe-)Mann nach Hause kommt.

Diese klassische Rollenverteilung klingt altmodisch und nach Biedermeier und ist in unserer Gesellschaft sicherlich nicht die Regel. Dass Frauen, die in einer festen Partnerschaft mit einem Mann leben, ihre Berufe lernen und ausüben, ist in kinderlosen Beziehungen stark verbreitet. Und auch Männer, die wissen, wie die Waschmaschine bedient wird und regelmäßig kochen oder die Wohnung staubsaugen, gehören ins Bild der modernen Gesellschaft. Das ändert sich allerdings oft, sobald das erste Kind des Paares auf die Welt kommt. Denn dadurch, dass Frauen sich fast immer eine berufliche Auszeit nehmen, um sich rund um die Uhr um ihr Baby zu kümmern, rutschen sie ganz automatisch in die Rolle der klassischen Hausfrau, die nicht nur für das Wohlergehen des Kindes zuständig ist, sondern auch für das ihres arbeitenden Mannes.

Viele Frauen schaffen es nicht mehr richtig, diese Rolle wieder loszuwerden, auch wenn die meisten von ihnen nach einiger Zeit ihren Beruf wiederaufnehmen. Sie gehen in Teilzeit, und finden sich in der Situation wieder, dass die Verantwortung für Kinder und Haushalt nach wie vor komplett bei ihnen liegt, und zusätzlich kostet auch der Job Energie und Zeit.

Wann ist ein Paar gleichberechtigt?

Das beschriebene Modell ist natürlich weit weg von Gleichberechtigung: Die Frau macht sämtliche Haushalts- und Carearbeit und geht ihrer Erwerbstätigkeit nach, hat also mindestens drei extrem wichtige, tagesfüllende Zuständigkeitsbereiche, der Mann nur einen, nämlich seinen Beruf plus vielleicht noch eher selten anfallende Reparaturen. Zugleich erhält die Frau ein viel geringeres Einkommen und kann weniger in ihre Altersvorsorge investieren, denn die Haus- und Erziehungsarbeit ist natürlich unbezahlt und wirkt sich nur geringfügig auf die zukünftige Rente aus.

Das Gegenteil des Modells wäre, dass beide Partner arbeiten gehen, wenn möglich nicht Vollzeit, und sich die Verantwortung für alles rund um Haushalt und Kinder 50:50 aufteilen. Das wäre finanziell betrachtet womöglich das beste Modell, gerade hinsichtlich der zukünftigen Rente, doch persönlich und individuell bleibt einiges unberücksichtigt: Dass Teilzeitarbeit und die Hälfte der Haushalts- und Kinderbetreuung nicht die Lebensgestaltung ist, die jeden Menschen glücklich macht.

Leider haben nicht alle Mitglieder unserer Gesellschaft die Wahl. Oftmals müssen beide Partner arbeiten gehen, weil ein finanzielles Auskommen sonst einfach nicht möglich ist, und wer dann eine gleichberechtigte Beziehung führen möchte, muss die Familienaufgaben 50:50 oder in einem Verhältnis aufteilen, das unterschiedliche Erwerbsarbeitsstunden der beiden Partner berücksichtigt.

Doch haben Familien das Glück, eine Wahl zu haben, so gibt es doch durchaus die eine oder andere Frau, die sich bewusst dafür entscheidet, ihren Beruf niederzulegen und als Hausfrau besonders viel Zeit zuhause und mit ihren Kindern zu verbringen, weil es ihr viel Spaß macht, diese zu betreuen und sie vielleicht auch eine leidenschaftliche Bäckerin oder Köchin ist. Sie ist dann froh, dass sie sich mit dem schwierigen Spagat zwischen Karriere und Familie, wie ihn Susanne Garsoffky und Britta Sembach in ihrem Buch „Die Alles ist möglich-Lüge“ beschreiben, nicht abmühen muss und ihr Mann die Sache mit dem Geldverdienen erledigt. Womöglich ist sie auch bereit, den Lebensstandard durch den Verzicht auf ein zweites Einkommen etwas herunterzuschrauben, um ihren Wunsch, zuhause bleiben zu können, auszuleben.

In der Diskussion rund um die Gleichberechtigung wird aber eine solche, glückliche Frau oftmals als unterwürfig betrachtet oder die Aufrichtigkeit ihres Glücklichseins in Zweifel gezogen, so wie es die Feministin Bascha Mika in ihrem Buch „Die Feigheit der Frauen“ tut. Manche Leserinnen lieben das Buch, andere fühlen sich angegriffen und mit ihren persönlichen Bedürfnissen nicht ernstgenommen und lehnen es deshalb ab.

Unberücksichtigt bleibt auch der Mann, der davon geträumt und jahrelang darauf hingearbeitet hat, eine steile Karriere zu machen. Er muss diesen Traum aufgeben, sobald er eine Familie gegründet hat, da er nun in Teilzeit wechseln und die Hälfte des Haushalts und der Kinderbetreuung übernehmen muss. Er mag dann zwar in einer formal gleichberechtigten Partnerschaft leben, aber ist persönlich unglücklich, weil ihm die berufliche Selbstverwirklichung fehlt.

Zudem gibt es in unserer Gesellschaft Modelle, die fast unsichtbar bleiben und wenn überhaupt, dann nur mit einiger Skepsis betrachtet werden: Das ist zum Beispiel das Modell des leidenschaftlichen Hausmanns und Vaters, der seinen Beruf niederlegt, um zuhause beim Haushalt und bei den Kindern zu bleiben. Er wünscht sich ein karrierefreies Leben, wie es der Autor Ralf Bönt in seinem Buch „Das entehrte Geschlecht“ beschreibt. Das Gegenstück dazu ist die Frau, die sich eine steile Karriere in einem arbeitsintensiven Beruf wünscht, zum Beispiel als Chirurgin oder Richterin. Finden diese beiden Menschen zusammen und gründen eine Familie, können sie sich optimal ergänzen und glücklich machen. Doch gesellschaftlich werden sie vermutlich Sonderlinge sein: Er der faule Kerl, der nicht arbeiten will und sie die Rabenmutter, die keinen Überblick über ihre Haushalts- und Kindersituation hat.

Gegenseitige Anerkennung und Wertschätzung als Fundamente einer gleichberechtigten Partnerschaft

Das Rentenargument hin oder her, unser menschliches Wohlbefinden hängt nicht nur von unserer gegenwärtigen oder zukünftigen finanziellen Situation ab, sondern auch davon, ob wir in unseren persönlichen Lebenssituationen glücklich sind.

Deshalb lohnt es sich zu überlegen, ob eine gleichberechtigte Partnerschaft sich nicht dadurch definieren sollte, dass beide Partner ihr Leben weitgehend so gestalten dürfen, wie sie es sich wünschen. Das wichtigste Kriterium der Gleichberechtigung ist in diesem Sinne die Wertschätzung dessen, was der Partner leistet, sowie auch die Anerkennung dessen, dass er:sie mit seiner:ihrer Lebensführung zur Erfüllung der eigenen Wünsche beiträgt. Gleichberechtigung wird auf diese Weise zu etwas sehr Subjektivem und Individuellem. Außenstehende können nicht mehr so schnell von außen beurteilen, ob ein Paar gleichberechtigt lebt oder nicht, doch werden Menschen auch keine Lebensmodelle aufgezwungen, die in vielen Fällen ideal sein mögen, in ihrem persönlichen aber eben nicht.

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